Liebe Buchenbühler Gemeinde, liebe Besucher unserer Homepage,
Am Palmsonntag fällt uns zuerst eine Massenszene ein. Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem, Menschen säumen den Weg, sie winken mit Palmwedeln, ein vielstimmiges „Hosianna“ schallt dem Zug entgegen. Völlig daneben in einer bedrückenden Zeit der leeren Städte. Wie ein Kontrast dazu, aber in der Intimität noch viel näher an menschlicher Berührung ist für dieses Jahr eine Szene vorgegeben, in der Jesus selbst liebevoll gesalbt wird. Völlig daneben in einer Angst machenden Zeit von mindestens 1,5 m Abstand.
Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.
Markus 14, 3-9
Wie fühle ich mich, wenn ein Mensch mich berührt, mich umarmt, mir die Hand auf die Schulter legt, mir über den Kopf streicht?
Es kommt auf den Menschen an, ob er mir vertraut oder fremd ist, und es kommt auf die Situation an, in der ich mich gerade befinde. Nicht jede Berührung ist mir angenehm. Wir haben gelernt, eher zurückhaltend damit zu sein, vor allem Kindern gegenüber, und das ist gut so.
Am Krankenbett, oder am Sterbebett, ist das anders. Da ist es zuweilen nur die Berührung, die bleibt, das Segenskreuz auf der Stirn, oder, wo gewünscht, das Salböl. Es tut wohl und thematisiert den Tod, ohne Worte. Auch in der evangelischen Kirche werden solche Gesten wiederentdeckt, ich selbst bin damit nicht sehr weit. Aber die Erfahrung kenne ich, dass dann aus der Berührung auch Worte entstehen und möglich werden, die ohne diese leer wirken: „Ich wünsche dir eine gute Reise“, nicht der schlechteste Satz an einem Sterbebett, so recht sprechend wird er erst nach einem Segenskreuz auf die Stirn. „Gott behüte dich auf deinem Weg!“
In anderen Kulturen, in Israel und im Orient war und ist das Bewusstsein um die Bedeutung nicht-sprachlicher Kommunikation präsent, unverfälschter und spontaner als bei uns. Jesus war Orientale, ein Mensch, der Menschen berührte, der sich berühren ließ und der das Leben in allen Dimensionen genießen konnte. Er kümmerte sich darum, ob die Leute, die von weither zu ihm kamen, ein Abendessen bekamen.
Als Zeichen seiner Gegenwart hinterließ er den Jüngerinnen und Jüngern schließlich das Abendmahl, die Mahlgemeinschaft, das freudige und festliche gemeinsame Essen. Menschen, die er heilte, berührte er. Er tat dies ohne Rücksicht auf Widerstände und mögliche Ansteckung. Ich weiß, dass ich da weit hinter seinem Vorbild zurück liege und in diesen Wochen zurückliegen muss. Er war sich nicht zu schade, seinen Jüngern die Füße zu waschen, genoss es aber auch, wenn eine Frau ihm den Kopf mit Öl benetzte.
Die Szene ist wunderbar. Eine Frau, die namentlich nicht genannt wird, von der doch am Schluss gesagt ist, sie werde unvergessen bleiben, übergießt Jesus mit teurem Salböl. Gesalbt werden Menschen, die von einem Propheten zum König ausersehen sind. Jeder in Israel versteht das. Er salbt mein Haupt mit Öl, Psalm 23 ist vertraut und bezieht uns alle mit ein, auch dort klingt die Fülle an, er schenkt mir voll ein. Wenn gesalbt wird, steht Sparsamkeit eben einmal hinten an.
Das ist neben allen karitativen und seelsorgerlichen Gedanken doch auch eine erlaubte Überlegung wert:
Wo in meinem Leben ist der Bereich, bei dem ich nicht spare, wo ich die Fülle zulasse und genieße, wo ich sozusagen auf dem roten Teppich in die Stadt Jerusalem meines Lebens einziehe, mir selbst und anderen Hosianna zurufe und für eine erfüllte Zeit alle Fragen vergesse? Ist es ein Kleidungsstück, ist es eine Reise, ist es eine teure Konzertkarte oder ein gutes Essen, das ich mir leiste? Der Blick aus dem Fenster, das frische Grün, da ist die Fülle von Gottes Segen, vor der alle Menschen gleich sind.
Das mögen merkwürdige Gedanken sein, ausgerechnet zu Beginn der Karwoche, aber es sind Gedanken, die Jesus selbst legitimiert in dieser wunderbaren Szene, die ein Stück vom Himmel atmet. Das muss ein Stück vom Himmel sein, unverfälschtes kostbares Nardenöl, 300 Silbergroschen, was könnte man damit tun, ja, aber in Christus die ganze Menschheit zu Königen salben und den Geruch der Ewigkeit atmen, dafür sind 300 Silbergroschen nicht zu viel.
Habe ich Sie für einen Augenblick entführen können in die Fülle des Lebens?
Meine Gebete gelten all den vielen Menschen, die sich derzeit nach solcher Fülle schmerzlich sehnen. Wenn Sie mögen, schließen Sie sich diesen Gebeten mit Ihren ganz individuellen Gedanken an.
Gerhard Wild, Pfarrer
Das Donnerstagsgebet
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